Spitz auf Knopf – … und niemand hört die Signale!
Kolumne von Georg Gafron
Die Stimmung in Deutschland ist schlecht – und damit natürlich auch in seiner Hauptstadt Berlin. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatten die Deutschen ein so geringes Vertrauen in ihre Eliten. Gleich mehrere Umfragen der führenden Meinungsforschungsinstitute stellen diesen Unmut bei über 60 Prozent der Bundesbürger fest- und das quer über alle Altersgruppen und soziale Schichten hinweg. Noch mehr beunruhigen muss die bereits im Sommer 2019 von der „Königin der Demoskopie“, dem Institut in Allensbach, ausgewiesene Tatsache, dass nahezu zwei Drittel der Deutschen sich scheuen, offen ihre Meinung zu äußern. Auf dem Fieberthermometer einer Demokratie sind das Werte nahe der 40 Grad Marke. Immerhin gehört die Meinungsfreiheit zu den höchsten Gütern unserer Verfassung. Bis heute hat sich dieses Gefühl kontinuierlich weiter verstärkt. Besonders gilt dies für die Bereiche nationale Identität der Deutschen, der Zuwanderung von Ausländern, aber auch das Geschlechterverhältnis. Die Menschen befürchten berufliche und gesellschaftliche Nachteile, wenn sie glauben oder wahrnehmen, dass ihre Ansichten nicht dem von den Eliten in Politik und Medien vorgegebenen Mainstream entsprechen. Es ist erstaunlich, dass ein derartiges Klima bislang weitgehend ignoriert wird. Selbst die wachsende Zustimmung zu der, der Verfassungsfeindlichkeit verdächtigten, AFD scheint niemanden im Politischen Diskurs zu beeindrucken.
Hinzu kommen die berechtigten Ängste vor einem Verlust des über Jahrzehnte ständig gewachsenen allgemeinen Wohlstandes. Für jeden denkenden Bürger ist es längst klar, dass unser Gemeinwesen schon seit langem über seine Verhältnisse lebt. Nur immer höhere Verschuldungsraten von Bund, Ländern und Gemeinden halten die Illusionen aufrecht. Nun zeigen sich zusätzlich ernsthafte Schwächen unserer exportorientierten Wirtschaft auf den Weltmärkten. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet unter zu hohen Kosten, nachlassender Innovationskraft und einer erstickenden Bürokratie am Standort Deutschland. Auch der immer offenkundiger werdende Niedergang unseres Bildungssystems verheißt für die Zukunft nichts Gutes. Unser Land sieht sich schweren Herausforderungen gegenüber: sinkende Einnahmen bedeuten Wohlstandsverlust bei gleichzeitiger Verringerung der Verteilungsspielräume. Die soziale Stabilität könnte ins Rutschen kommen! Das alles in einer Phase der „Zeitenwende“, die neue Kraftanstrengungen nach innen und außen mit sich bringt.
Notwendig ist jetzt eine selbstkritische und schonungslose Analyse des Ist- Zustandes. Aus dem Ergebnis muss eine alle Bereiche der Gesellschaft umfassende Sanierung unter Besinnung auf die Kraft individueller Stärke und die Kräfte der Marktwirtschaft erfolgen – ohne ideologische Scheuklappen und wehleidiger Nostalgie zu Ende gehender Zeiten.