Die blanke Gier steht Verkäufern im Gesicht
Makler sehen sich in einem Teufelskreis: Ohne Traumpreis-Zusagen gibt es keine Aufträge
Immobilienmakler wollen Häuser verkaufen, am besten exklusiv. Um das zu erreichen, spielen einige Makler jedoch mit gezinkten Karten: Sie geben Hausverkäufern vor, ihr Haus für einen viel höheren Preis verkaufen zu können, als es letztlich möglich ist. Diese Herangehensweise sorgt dafür, dass immer die Makler engagiert werden, die den höchsten Hauspreis anpreisen. Wenn denn überhaupt Makler engagiert werden: Eigentümer nehmen die Vermittlungssache auch gerne selber in die Hand seit die Courtage nicht mehr allein dem Käufer „aufs Auge“ gedrückt werden kann. Zum 23. Dezember 2020 trat bundesweit in Deutschland das neue „Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser“ in Kraft. Seitdem liegt die Obergrenze der Weitergabe der Maklerprovision an den Käufer bei der Hälfte der Provision, also maximal 50 Prozent. Gerne sparen sich Eigentümer diese Hälfte. Einige erhöhen den Kaufpreis entsprechend, selbst wenn sie das Geschäft nicht einem Profi übertragen. Makler geraten so unter Druck. Das Geschäft droht ihnen wegzubrechen, gehen sie nicht auf die Wünsche ihrer verkaufenden Klientel ein. Schließlich werden Objekte benötigt, wollen sie Geld verdienen.
Einer der Makler, die in Berlin für Deutschlands größtes unabhängiges Maklerhaus unterwegs sind, plauderte im Gespräch mit dem Tagesspiegel aus dem Nähkästchen. Er leitet im Süden Berlins die Zweigstelle eines weltweit operierenden Unternehmens. Er spricht offen von „Gier“. Kollege Dirk Wohltorf, Vizepräsident des Immobilienverbandes (IVD), pflichtet dem bei: „Als Makler habe ich das Gefühl, dass trotz der stark steigenden Preise in den vergangenen Jahren viele Verkäufer den Markt ein Stück weit ausnutzen wollen – auch wenn das vielleicht gar nichts Böses ist. Sie tasten den Markt ab. Was eine wirklich schlimme Spirale ist: Dass sich zukünftige Verkäufer an den Angebotspreisen orientieren. Doch die Angebotspreise sind eben nicht die Verkaufspreise.“
Seit Anfang des Jahres sei ein extremes Anziehen der Angebotspreise zu verzeichnen, beobachtet Makler Kevin Sanft: „Das führt dazu, dass nun auch wir mit überzogenen Preisen einwerten, da sonst jemand anderes den Zuschlag bekommt. 120 Quadratmeter schlecht sanierter Altbau ohne Altbaucharme an einer sechspurigen Hauptverkehrsstraße ohne Bäume, weit außerhalb der Ringbahn? Wir gingen schon großzügig mit 492 000 Euro ran, den Zuschlag hat ein anderer Makler bekommen, der die Wohnung für 690 000 Euro vermarktet. Das ist nicht mehr marktgerecht, dass ist einfach Wahnsinn! Die blanke Gier steht den Menschen ins Gesicht geschrieben, aber die Bösen sind die Makler und wir müssen gute Miene zum bösen Spiel machen.“
Markus Gruhn, Vorsitzender des Rings Deutscher Makler LV Berlin und Brandenburg e.V. (RDM), sieht die momentan Gemengelage rein marktwirtschaftlich: „Wenn tatsächlich ein hoher Preis beurkundet und belegt wird, dann ist es halt der neue Marktpreis. Das ist wie bei Kunst, wo auf einmal Bilder finanziell „durch die Decke“ gehen, die von Auktionatoren anders eingeschätzt wurden.“
Kevin Sanfts Ansatz – die Angebotspreise steigen, weil die Eigentümer gierig sind – hält Gruhn für eine steile These. Er glaubt einerseits, dass das neue Maklergesetz von Übel sei (der RDM bereite eine Klage dagegen vor): „Es führt dazu, dass Eigentümer die Immobilie selbst bei Immoscout einstellen und die sechs Prozent Maklergebühr auf den Kaufpreis draufknallen. Aber das ist nun mal der Markt.“ Andererseits führe das nun auch bundesweit und nicht allein in Berlins Milieuschutzgebieten verankerte Aufteilungs- bzw. Umwandlungsverbot dazu, dass weniger Eigentumswohnungen am Markt seien. „Und je weniger Ware es gibt, desto höher sind die Preise bei hoher Nachfrage“, gibt Gruhn zu bedenken: „Das wird eher der Preistreiber werden.“
Makler Jörg Groh ist in seinem Beruf ein „alter Hase“. Schon seine Eltern vermittelten in West-Berlin Immobilien. Er selbst beackert den Markt seit vierzig Jahren. „Jedes Kind weiß, dass der Preis abhängig von der Nachfrage ist. Es hat schon immer Makler gegeben, die dem jeweiligen Eigentümer versprechen, einen Investoren zu kennen, der ihm die Hälfte seiner Kaufpreisvorstellung mehr zahlt. Es hat aber leider auch schon immer Eigentümer gegeben, die dem Dampfplauderer alles glauben. Die sind dann allerdings selbst schuld. Bei der Akquisition handelt es sich um eine mühevolle und höchst sensible Arbeit, die nicht jedem liegt. Damit steht und fällt aber das ganze Geschäft. Geschweige dem, was danach kommt.“ Damit meint Groh zum Beispiel auf Grund von Ehestreitigkeiten und geplatzten Finanzierungen abgesagte Notartermine. „Was diese Preisrallye anbetrifft, hatten wir so etwas in den letzten fünfzig Jahren sehr oft und man muss damit fertig werden“, sagt Groh.
Versteht Sanft also sein Geschäft nicht? Er ist als Makler in Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde, Steglitz, Teilen Zehlendorfs, in Buckow und Britz aktiv: „Alles sehr beliebte Gegenden“, wie Sanft sagt. Er sieht sich in einem Teufelskreis: „Kleine selbstständige Maklerunternehmen versprechen illusorische Kaufpreise, um trotzdem noch Vermarktungsaufträge abschließen zu können. Wir selber haben bisher versucht, den Kundinnen realistische Preise für die Vermarktung vorzuschlagen. Als Makler haben wir keinerlei Interesse an überhöhten Angebotspreisen. Objekte werden „verbrannt“ wenn sie zu lange am Markt sind, die Diskussion über Preissenkungen ist langwierig, jedes Gebot muss den EigentümerInnen mitgeteilt werden und die Gebote liegen oft weit unter dem überhöhten Angebotspreis. Schlussendlich finden wir jemanden, der den überhöhten Preis zahlen möchte. Dann beginnt ein wochenlanger Finanzierungsaufbau bei dem KundInnen immer mehr Eigenkapital aufbringen müssen. Denn Banken rechnen mit dem Beleihungswert, der oft ein Drittel, immer öfter aber auch nur halb so hoch wie der Angebotspreis ist.“ Es werde länger geprüft, bestätigt Wohltorf vom Lobbistenverband IVD: „Banken sehen sich Immobilie und Kreditnehmer sehr, sehr genau an, und es kommt durchaus vor, dass eine Bank den Beleihungswert als so weit entfernt vom Beurkundungswert sieht, dass sie bei der Finanzierung nicht mitgehen.“
In Steglitz würden jede Menge vermietete Eigentumswohnungen mit einem Kaufpreisfaktor von 55 und mehr angeboten, sagt Sanft. Der Faktor gibt an, wie viele Jahre Mieteinnahmen erzielt werden müssen, damit der Kaufpreis erwirtschaftet wird. „Normal sind allerhöchstens 30 in 1 A-Lagen“, sagt Sanft. Viele Makler seien unehrlich: „Sie versuchen über die angeblichen Verkaufserlöse „einzukaufen“, bzw. Aufträge zu bekommen.“
Das wird vom IVD-Vice Wohltorf bestätigt, der sein Maklergeschäft in Frohnau betreibt: „Es gibt unter den Maklern ein Wettbieten nach oben. Niemals geht es aber um die drei Prozent Courtage“, sagt er. „Die Verkäufer wollen einfach etwas obendrauf legen – 15 oder 20 Prozent. Sie sehen die Angebotspreise bei Immobilienscout. Da bin ich als Makler raus. Ich bin doch Makler und nicht Immobilien-ins-Internet-Einsteller.“ So wird den Verkäufern immer mehr versprochen; der Verkaufsprozess zieht sich – allerdings oft mit erfolgreichem Abschluss – in die Länge. „Ich weiß von anderen Unternehmen, dass Makler 20 bis 30 Prozent obendrauf schlagen, um den Auftrag zu bekommen“, gibt auch Wohltorf Interna preis.
„Das Problem ist, dass viele Makler über die Preisspirale gehen und am Ende bekommt derjenige den Zuschlag, der am meisten bietet“, beobachtet auch Niko Kronenbitter, Experte für Online-Immobilienmarketing. Sein Fazit: Makler müssen früher ansetzen und längere Zyklen gehen, sich nicht erst um Eigentümer bemühen, wenn die Immobilie bereits zum Verkauf stehe. Das Modell der Immobilienberrentung ist eine der Möglichkeiten (Der Tagesspiegel berichtete).
Marktrelevant sei dieses Modell bisher nicht, sagt Wohltorf. Sein Appell an die Verkäufer: „Glaubt nicht alles, was ihr an Angebotspreisen seht – lasst euch von Maklern oder Gutachtern beweisen, wie der Markt ist. Wir hatten vor 10 bis 15 Jahren die falschen Preise und nicht heute. Die Preise sind aber zu schnell gestiegen, um allen Menschen Eigentum zu ermöglichen – was auch an der Höhe der Grunderwerbsteuern liegt, die ohne Gegenleistung an die Kommune gezahlt werden müssen.“