Kontaktsperren treffen Makler im Kerngeschäft
Die bundesweiten Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus zwingen Makler zu kreativem Umdenken und einer Teilverlagerung des Geschäfts ins Digitale. Eine echte Besichtigung vor einem Kauf ersetze das freilich nicht, heißt es – doch die Branche bleibt verhalten zuversichtlich.
„Wir bieten zwar ohnehin schon seit längerem Onlinebesichtigungen für manche Objekte an“, sagt der Geschäftsführer des Erfurter Verwalters und Maklers 3×1 Immobilien, Jörg Wanke. „Aber die letzte Entscheidung wollen potenzielle Interessenten dann doch live treffen.“ Man müsse auch abwägen, ob und wann sich eine Onlinebesichtigung finanziell lohne; viele Fragen ließen sich außerdem vorab telefonisch klären. Corvin Tolle, Geschäftsführer des gleichnamigen Berliner Unternehmens Tolle Immobilien GmbH, hat ebenfalls vor einiger Zeit virtuelle 360-Grad-Besichtigungen ins Angebot aufgenommen. Als Reaktion auf die seit Wochenbeginn geltenden Regelungen habe man diesen Service auf weitere Wohnungen ausgeweitet, sagt Tolle. Das Immobilienunternehmen Engel & Völkers AG erklärt, ebenfalls Live-Video-Aufnahmen oder virtuelle 360-Grad-Touren anzubieten.
„Angesichts der verschärften Rahmenbedingungen arbeiten wir daran, kreative Wege zu finden, um laufende Kundenanfragen zu bearbeiten und Neugeschäft zu generieren“, Sven Odia, Vorstandsvorsitzender Engel & Völkers
Ein Großteil der operativen Abläufe könne digital abgebildet werden – etwa auch Objektbewertungen und Kaufpreiseinschätzungen oder Kundengespräche.
Mit dem schnellen Handeln reagieren die Makler auf die aktuelle Vorschrift, dass in der Regel nurmehr zwei Menschen aufeinander treffen dürfen und dabei gebührenden Abstand zueinander halten müssen. „An diese Vorgaben müssen sich Makler halten“, hält Annett Engel-Lindner vom Immobilienverband Deutschland (IVD) fest. Der Verband empfiehlt daher, verstärkt auf virtuelle Besichtigungen zu setzen. Vorabberatungen könnten vorwiegend telefonisch erfolgen, so Engel-Lindner; sie glaubt, dass die Situation digitalen Angeboten in der Branche generell Vorschub leistet. Axel Lipinski-Mießner, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Landesverbands Berlin/Brandenburg des Ring Deutscher Makler (RDM) hält Videokonferenzen für ein praktikables ergänzendes Instrument. Er bestätigt zugleich die Einschätzung aus Erfurt, dass selten ein Kauf nach einer ausschließlichen Online-Besichtigung zustande komme.
Wohnungsbesichtigung: Hygienemaßnahmen müssen eingehalten werden
Wenn tatsächliche Besichtigungen unumgänglich sind, gelte es, die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, sagt Lipinski-Mießner. „Wir wollen als Branche einen Beitrag dazu leisten, dass die Vorschriften wirken können.“ Interessenten könnten Objekte einzeln besichtigen und im Zweifel den Makler vor der Tür lassen. Makler wiederum könnten Termine vorbereiten, indem sie Kontaktflächen desinfizieren und Türen beispielsweise gleich offen stehen lassen, sodass diese gar nicht berührt werden müssten.
Sind Wohnungen vermietet, müsse je nach Einzelfall entschieden werden, sagt Makler Tolle. Auf Besichtigungen bei älteren Mietern sollte derzeit verzichtet werden. Außerdem müsse vorher abgeklärt werden, ob im Haus Bewohner unter Quarantäne stehen – oder womöglich das ganze Objekt. „Man braucht im Moment viel Fingerspitzengefühl.“
Trotz Corona: Makler bleiben abwartend optimistisch
Doch obwohl Makler von Absagen für Besichtigungstermine und verschobenen Vertragsunterzeichnungen berichten, bleiben sie derzeit verhalten optimistisch. Im Moment gelte es, die Vorgaben zum „social distancing“ zu beachten, sagt Tolle. Grundlegende Entwicklungen wie die Attraktivität von Ballungsräumen hält er für ungebrochen. 3×1-Geschäftsführer Wanke sagt, er hoffe auch mit Blick auf die angekündigten Milliardenhilfen für Unternehmen, dass das Geschäft für Makler stabil bleibe. Er sehe durchaus einen Trend in Sachanlagen – eine Einschätzung, die Engel & Völkers-Chef Odia bekräftigt.
„Für Eigentümer und Investoren bleiben Immobilien eine krisenfeste und sichere Kapitalanlage“, Sven Odia, Vorstandsvorsitzender Engel & Völkers
Ob es zu sinkenden Preisen auf dem Markt kommt, werde auch von der Dauer der Corona-Krise abhängen. Negative Reaktionen beobachtet Engel & Völkers im Tagesgeschäft noch nicht; wohl aber, dass die Qualität von Kundenanfragen steige. Wer jetzt besichtige, habe ein ernsthaftes Miet- oder Kaufinteresse, erklärt Odia.
Onlineportale mit Entgegenkommen
Vom RDM heißt es, ein Stück weit sei das Geschäft für Makler schon zum Erliegen gekommen. Umso mehr erhoffe man sich von angekündigten Unterstützungsmaßnahmen etwa vom Berliner Senat, nach denen Immobilienverwalter bei Verstößen gegen die Melde- und Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Mietendeckelgesetz zunächst keine Sanktionen zu fürchten haben. Und auch aus der Branche selbst deuten sich solidarische Maßnahmen an: Ebay Kleinanzeigen will im April auf die monatlichen Gebühren für „Immobilienprofis“ verzichten, also Kunden, die Pakete bei der Plattform gebucht haben. Alle Leistungen in diesem Bereich würden kostenlos angeboten, erklärt Geschäftsführer Paul Heimann. Das Zahlungsziel für März werde zudem auf 90 Tage verlängert. Dem Unternehmen zufolge betrifft dies etwa 7.000 Kunden. Zuvor hatte bereits der Mitbewerber Immoscout 24 ein „Sofortprogramm“ für seine Kunden angekündigt. Neben einem Zahlungsaufschub für gewerblich Tätige von bis zu neun Monaten umfassen die Hilfsmaßnahmen einen kostenlosen Monat für Privatanbieter und zusätzliche kostenlose Mandate für Makler – nach der Krise.