Spitz auf Knopf – DAS VW-DESASTER – MENETEKEL UND ERST DER BEGINN
Kolumne von Georg Gafron
Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik hat es immer wieder mal krisenhafte Momente gegeben: Konjunkturelle Einbrüche, Phasen hoher Arbeitslosigkeit, ins Strudeln gekommene Banken und Unternehmen. In der Folge wurde das Schritttempo auch mal stockender, doch selbst dann ging es generell selbst dann immer weiter bergauf. Die Gesellschaft verfügte über genügend Ressourcen und Grundtugenden, die Karre erst gar nicht ernsthaft vom Weg abkommen zu lassen. Gerade nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und eines verlorenen Krieges war der Leistungswille der Deutschen in allen Schichten ungebrochen und vital. Es entstand ein nationaler Pathos ohne falschen Patriotismus und Überheblichkeit. Die Bundesrepublik genoss schnell den Ruf politischer und sozialer Stabilität. Schon bald bewunderte die ganze Welt das deutsche Wirtschaftswunder. Ein anhaltender Wohlstand für immer mehr Menschen wurde zur nahezu ewigen Gewissheit. Deutschland wurde nicht nur Exportweltmeister, sondern der Glauben an den ewigen Wohlstand wurde immer mehr zur Identität der Menschen und des Staates. Das dieser aber nur das Produkt eigener dauerhafter und immer wieder neuer Leistung ist, ging im Bewusstsein sukzessive zurück. Heute hat dieser Mentalitätswandel mit dem hohen Lied auf die „Work-Life-Balance“ (das ist so etwas wie die Null Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich) seine perverse Hybris erreicht. Stimmen, die den Widersinn solchen Denkens anprangerten, wurden schnell als das ewig gestrige Gejammer alter weißer Männer abgetan. Irgendwie immer wieder siegt der Glauben, dass der Staat es schon irgendwie richten wird, und sei es durch noch höhere Schulden. Und wenn gar nichts mehr geht, sind da ja noch die besser Verdienenden und sogenannten Reichen, mit deren Enteignung der Zustand dauerhaften Glücks schon finanziert werden könne.
Doch bekanntlich gibt die Realität der nüchternen Welt der Tatsachen unbestechlich, ja manchmal sogar brutal, die Wahrheit wieder. Mit der heute so hochgelobten Neo-Marxistischen Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre wurde aus Leistungswillen “Leistungsterror” und aus Konsum “Konsumterror”. Disziplin und die Übernahme von Verantwortung wurden mehr und mehr “zu faschistoiden Werten der Vergangenheit”, die es zu überwinden galt. Eine Entwicklung, die sich über einen hohen Anteil des akademischen Milieus hinaus als trendsetzend in die Gesamtgesellschaft hineinfraß. Selbst sich einst als konservativ einschätzende Parteien wie die CDU konnten sich dem nicht widersetzen und wurde unter Kanzlerin Merkel massiv von ihrem einstigen Werteverständnis entfremdet.
Heute sind die Folgen unübersehbar: Seit vielen Jahren befindet sich die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft im Niedergang -zu teuer, zu wenig innovativ und an der Kette weiterwachsender bürokratischer Bevormundung. Neugründungen und Unternehmergeist sind seit Jahren im Sinkflug, das Leistungsniveau unserer Schulen und Universitäten ist im internationalen Vergleich höchstens noch Mittelmaß, trotz aller Bemühungen um ausländische Fachkräfte ist der Standort Deutschland für Leistungsträger nicht mehr attraktiv. Ungeachtet verschiedener Förderprogramme erreicht die Zahl dieser Zuwanderer nur knapp 25% der Erwartungen der Regierung. In Deutschland herrscht schon lange kein Klima des Aufbruchs und des Wettbewerbs bei entsprechend guter Bezahlung mehr. Die Arbeitslosigkeit wird schon bald zur bedrohlichen Geisel werden. Wie ein Blitzeinschlag hat der Einsturz der Ikone VW, des größten Unternehmens des Landes, das ganze Ausmaß der deutschen Katastrophe offenbart. Dabei ist das nur der Beginn einer Zeitenwende, der nicht nur weitere Riesen der deutschen Autoindustrie folgen werden. 40% der Deutschen Unternehmen des Mittelstandes tragen sich nach Meinung der Verbände mit der Absicht, das Land zu verlassen. Auch sind schon jetzt die Anzeichen von Kapitalflucht unübersehbar. Das gilt übrigens auch für die Abwanderung von Eliten.
Der eingetretene Zustand ist nicht über Nacht zu beseitigen. Er ist das Produkt langjähriger Prozesse. Doch der Kurswechsel muss kommen, wenn Deutschland nicht zu einer Randfigur werden soll. Die derzeitige politische Führung des Landes ist selbst zu sehr mit den Ursachen verknüpft, als dass sie den Mut zu den notwendigen Korrekturen allein finden kann. Es bedarf eines Bewusstseins in der ganzen Bevölkerung. Schon jetzt gibt es erste Anzeichen der Erkenntnis in der jungen Generation, wie die jüngste Shell Jugendstudie zeigt. Es ist nur logisch, dass diejenigen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben, sich Gedanken machen und den Gestaltungswillen besitzen, den mentalen Wandel einzuleiten.
Der Sturz der Ikone VW ist ein Schock – hoffentlich ein heilsamer!