Spitz auf Knopf – SCHMIERENTHEATER UND WÄHLERBETRUG
Kolumne von Georg Gafron
Wenn in der Geschichte der Bundesrepublik einmal über die Zunahme der Politikverdrossenheit im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts geschrieben wird, dürfte das Trio der Landtagswahlen im September 2024 ein besonderes Kapitel einnehmen. Gleich mehrere, das Wahlvolk verunsichernde Faktoren trafen aufeinander. Gewählt wurde ausschließlich in drei Ostdeutschen Bundesländern – Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Phänomen Nummer 1: In Brandenburg verband der Sozialdemokratische Regierungschef Dietmar Woidke seinen Wahlsieg zugleich mit seinem Verbleiben in der Politik. Er konnte sich dabei der großen Sympathien der Brandenburger, ungeachtet ihrer inneren Zuneigung für andere Parteien, sicher sein. In einer Zeit anhaltender Umbrüche und Unsicherheiten trat der SPD-Chef wie ein Monarch mit landesväterlicher Allzuständigkeit auf.
Frei nach einem Zitat Kaiser Wilhelms des II. zu Beginn des ersten Weltkrieges 1914: „Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche.“, auf brandenburgisch heißt das: „Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Brandenburger“.
Für viele Wähler wirkte dies wie eine Erpressung, entsprechend die Auswirkungen an den Wahlurnen. Profitieren konnten davon nur zwei Parteien: Woidkes SPD und die AFD. Leittragende waren vor allem die CDU, zumal selbst der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer zur Wahl der SPD aufgerufen hatte. Es galt, Dietmar Woidke zu behalten und zugleich die AFD zu Schwächen. Letzteres gelang allerdings nicht, da Woidkes Abgangsdrohung insbesondere der Rechtsaußenpartei einen beträchtlichen Zustrom bescherte. Denn nichts wünschten sich deren Anhänger mehr als das Verschwinden des landesväterlichen Woidke. Überraschend schlug auch das Bündnis der Retterin der Weltrevolution, Sahra Wagenknecht, mit 13,5% als Newcomer ein.
Absurderweise verband Wagenknecht eine mögliche Regierungsbeteiligung mit der Forderung, die Unterstützung für die unter einem russischen Angriffskrieg leidende Ukraine ebenso einzustellen, wie auf die beabsichtigte und in der Nato schon beschlossene Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen zum Ausgleich des bereits vorhandenen Arsenals russischer Waffen gleichen Typs in Königsberg auszugleichen, zu verzichten. Merkwürdig nur, dass eine Landesregierung über derartige außenpolitische Fragen keinerlei Zuständigkeit hat, folglich eine Aufnahme dieser Forderung in jeder Form in Koalitionsvereinbarungen als reine Propagandashow zu werten ist, und zugleich wesentliche Grundlagen des bundesdeutschen Staatsverständnisses, wie Bündnistreue und das Bekenntnis zu freiheitlichen Werten, außer Kraft setzte. Fast scheint es, als habe Russlands Diktator Wladimir Putin der Wagenknechttruppe diese Forderungen diktiert. Und ganz nebenbei handelt es sich dabei auch um einen klaren Wählerbetrug. Denn wer solche Forderungen, ohne jede Chance auf Verwirklichung, in eine Koalitionsvereinbarung schreibt, belügt vorsätzlich die Bevölkerung zu Zwecken der Propaganda und parteipolitischer Zielsetzungen. Herr Woidke wird sich fragen lassen müssen, wie er derartige Possen seinem Chef Olaf Scholz im Bundeskanzleramt erklären will, da sie zudem ja offen dem Regierungskurs widersprechen.
Lob gebührt an dieser Stelle der arg gebeutelten CDU im Lande. Allen Verlockungen zum Trotz mit der Aussicht auf Pfründe und Posten, widerstand Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann der süßen Versuchung Woidkes, die Christdemokraten in ein Bündnis mit der BSW einzubinden, ungeachtet der Tatsache, dass es zu einer rot-dunkelroten Koalition mit Mehrheit gar keines weiteren Partners bedurfte.
Was für eine Art Komödie!
Ein Spiel, das in Sachsen und Thüringen noch nicht zu Ende ist. Auch hier geht es letztlich um wie auch immer geartete Bündnisse von CDU und SPD mit den überzeugten Kommunisten um Wagenknecht. Ausgang noch offen.
Schon mehren sich in der CDU bundesweit Stimmen, die die Gefahren eines solchen Kurses für das genetische Selbstverständnis der CDU, für das die Westbindung und das Bekenntnis zur Freiheit die Fundamente darstellen, als dunkle Wolken am Horizont vorhersehen.
So bereitet eine Initiative des CDU-Bundestagsabgeordneten und Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter für den kommenden Parteitag der Union einen bereits jetzt von über 5.000 Mitgliedern unterschriebenen Antrag vor, in dem der Unvereinbarkeitsbeschluss, bis jetzt für die AFD und die Altlinke gilt, auf die Kadergruppe um Sahra Wagenknecht ausgeweitet werden soll.
Ganz abgesehen davon, dass sich die Frage aufdrängt, was eigentlich im Kern das Bündnis Wagenknecht in zentralen Forderungen von der AFD unterscheidet? Mit dem feinen Unterschied, dass Wagenknecht zum Bündnispartner gemacht wird, die AFD aber ungeachtet ihrer Wahlerfolge als extrem toxisch gebrandmarkt wird, ohne mit ihr eine ernsthafte Auseinandersetzung in der Sache zu beginnen.