Spitz auf Knopf – Elite eben!
Kolumne von Georg Gafron
Wer erinnert sich nicht gelegentlich an die Situation aus Kindertagen, als man zum ersten Mal kopfüber in ein Becken voller Wasser springen sollte. Ja sicher, man würde ja gleich wieder auftauchen und alles wäre wie zuvor – nur eben aus einer anderen Perspektive. All das stimmt und dennoch ist diese Erfahrung für die meisten von uns eine unvergessliche. Innerhalb von Sekunden veränderte sich unsere gesamte Wahrnehmung, waren wir im Sinne des Wortes in etwas Fremdartiges eingetaucht.
All das ging mir durch den Kopf, als ich vor wenigen Tagen zu einem neurochirurgischen Eingriff in die Welt der Charité eintauchen musste. Mit einem Mal war ich umgeben von einer Atmosphäre, die sich vollständig von der Welt da draußen unterschied. Obwohl es vom Eingang zum stummen Wegweiser durch dieses gigantische Labyrinth nur wenige Schritte bedurfte, wird einem bewusst, dass das Ganze hier nichts mehr mit „dem da draußen“ zu tun hat. Vereint über drei Standorte in ganz Berlin sind über 100 Kliniken und Institute sämtlicher Fachbereiche mit etwa 23.000 Beschäftigen im Universitätsklinikum „Charité Berlin“ tätig. Etwa 140.000 Patienten werden hier im Durchschnitt eines Jahres behandelt, hinzu kommen knapp 800.000 ambulante Fälle. Mitarbeiter aus 125 Ländern sind hier beschäftigt – darunter 9.000 Studenten.
All diese Dimensionen sind nicht fassbar, doch greifen sie alle ineinander: Die vielen Wegweiser, eine schier unendlich erscheinende Odysee von Gängen mit geheimnisvollen Abzweigungen. Doch was mir zuerst unerwartet fremd vorkam war eine irgendwie laute Stille, die sich über alles legte. Mittendrin bewegten sich Menschen – Ärzte, Pflegepersonal und natürlich Patienten – die irgendein Ziel haben mussten, dass sie mehr oder weniger bewusst ansteuerten. Irgendwie musste es in diesem Kosmos ein, wenn auch nicht fassbares, System geben, eine Art unsichtbare Kraft, die sich aus der ganz eigenen Mechanik dieses Raumes ergibt und letztlich alles steuert. Denn hinter all diesen Vorgängen und Abläufen steckt ja ein menschlicher Wille und damit bewusstes Handeln.
Das Einzige, was den Patienten davon unterscheidet ist seine Außenseiterrolle. Weitgehend von den Entscheidungsprozessen ausgenommen ist der Verlust an selbstbestimmtes Handeln, ja jeglicher Mündigkeit spürbar und zugleich beruhigend. Dazu trägt zweifelsohne auch die stille Erkenntnis bei, dass man von dem, was hier so alles geschieht, sowieso nur das Wenigste verstehen würde. Längst haben zu diesem Zeitpunkt die Tentakel den Körper fest umschlossen, unsichtbare Tentakeln, die sich aus dem Ineinandergreifen von Entscheidungen und Abläufen ergeben. Selbst die lautesten und selbstbewusstesten Charaktere müssen sich über kurz oder lang geschlagen geben. In den autoritären Regimen gestern und heute pflegte man auf die Frage, was man denn unter Freiheit versteht, kurz und knapp zu entgegnen: „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit – und was diese ist, bestimmen wir!“. Der große Unterschied besteht nur darin, dass einem in der Charité niemand etwas Böses will, sondern der zeitweilige Verzicht auf Mündigkeit im eigenen Interesse ist. Natürlich ist dies in unseren modernen Gesellschaften, in denen prinzipiell alles auch nur autoritär Anmutende kritisch gesehen und hinterfragt wird, kein einfacher Prozess. Allein die hohe Zahl von „Patientenbeauftragten“ zur Lösung von Problemen mit der Klinikleitung ist ein Ausdruck dessen. Doch an irgendeinem Punkt dieses komplexen Geschehens ist für die Mitbestimmung tatsächlich kein Platz mehr. Worauf es dann ankommt, ist die Professionalität der Ärzte. In der Regel handelt es sich dabei um ein eingespieltes Team, dass im Dreischicht – System rund um die Uhr hochkomplizierte Operationen durchführt. Alle Ärzte und sonst an dem Eingriff beteiligten beziehen dabei ihre Motivation und innere Disziplin aus der fachlichen und persönlichen Qualifikation des jeweiligen Chefarztes.
In der Neurochirurgie in der Charité, die in ihrer Qualifikation an erster Stelle in Europa genannt wird, ist dies der aus Ungarn stammende Prof. Dr. med. Peter Vajkoczy. Für die meisten Patienten ist er nicht einmal sichtbar! Nur eines wissen die Betroffenen, in den alles entscheidenden Momenten ihres Lebens ist er bei ihnen, mit seinem Team und mit seinen Händen nur für sie da.
Nur wenn man das einmal verstanden hat, erschließen sich auch Rätsel und Geheimnis dieser „Unterwasserwelt“ im Reich des Peter Vajkoczy.
Es gibt sie also doch noch! Menschen für die Wissbegierde, Fleiß, Disziplin und Verantwortungsgefühl für andere die höchsten Maßstäbe im Leben sind!