Spitz auf Knopf – Sarah – „der dunkelrote Schmetterling“
Kolumne von Georg Gafron
Beim ersten Hören glaubte ich an eine Sinnestäuschung. Da verkündet die Stimme im Autoradio die politischen Ziele einer von der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht neugegründeten Partei – des Bündnisses Sarah Wagenknecht (BSW): Schluss mit der unkontrollierten Migration, Abbau der hohen Zahl von geduldeten oder ungeachtet verfügter Ausweisung unbekümmert in Deutschland verweilenden Personen.
Sofortiger Stopp der militärischen Unterstützung der Ukraine. Rückkehr zu guten Beziehungen mit Putins Russland, bei gleichzeitiger Wiederaufnahme der Energielieferungen Moskaus. Sofortige Rücknahme aller beschlossenen Sanktionen gegen Russland nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Umgestaltung der EU zu größerer Souveränität der einzelnen Nationalstaaten bei gleichzeitig größerem Abstand zu den USA.
Für mich war klar, hier muss es sich um ein Versehen handeln. Das hat doch alles nichts mit der roten Sarah zu tun. Das sind die altbekannten Ziele der in weiten Teilen als „gesichert rechtsextremistisch“ gebrandmarkten AFD. Oder doch nicht? Denn da ist zusätzlich noch eine Forderung: Die Enteignung mit anschließender Verstaatlichung großer Teile der Wirtschaft. Ein uralter Kern marxistischer Ideologie auf dem Weg zum Paradies der Gleichen – oft versucht und immer wieder dramatisch gescheitert! Doch so richtig konnte ich es immer noch nicht glauben.
Eine „moderne linke“ Partei ohne „wokeness“!? Keine Kampfansage an „toxische Männlichkeit“, kein Protest gegen die „allgegenwärtige Diskriminierung“ von Frauen, keine Hervorhebung von Trans- und Quermenschen, kein Pflicht-Konsum veganen Essens, kein Genderzwang als Symbol des Kulturkampfes.
Bei den Grünen, in der Links-Partei und auch in der SPD ist das „Woke“ längst Teil der DNA geworden, einer der wichtigsten Gründe für die Entfremdung immer größerer Bevölkerungsteile von der tonangebenden Politik und das Entstehen neuer Parteien an den Rändern. Hinzukommt, dass auch die CDU und die Liberalen vom Woke-Virus betroffen sind.
Sarah Wagenknecht, eine geschulte und bekennend überzeugte Kommunistin folgt konsequent der Leninschen Weisung „Alles, was den Zielen der Partei nützt, ist moralisch.“. Es empfiehlt sich, die zum Teil heftigen Kontroversen innerhalb der kommunistischen Bewegung in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts über diese Wegweisung Lenins nachzulesen. Bedeutet dies doch auch die Aufgabe moralischer Grundpositionen, wenn es um die „gute Sache“ geht. Und was gut ist, bestimmt bekanntermaßen die Parteispitze. Ein Prinzip, das Stalin konsequent erweiterte und umsetzte. Maßgebend für Strategie und Taktik sind die jeweiligen Lagereinschätzungen. Dies kann auch zu plötzlichen Sinnesänderungen führen. Schon hat Wagenknecht das Feindbild aller Linken, die AFD-Vizevorsitzende Alice Weidel, vom Vorwurf des Rechtsextremismus gleich in mehreren Talkshows freigesprochen. Wagenknecht denkt dabei wohl an mögliche Stimmen aus dem Nichtwähler-Lager, aber auch bisheriger AfD-, SPD- und CDU-Wähler.
Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, eine neugegründete und erst kleine linke Partei pirscht sich an die AFD mit dem Sexappeal einer charismatischen Wagenknecht heran. Vieles ist vorstellbar. Anfang der dreißiger Jahre gab es eine Vielzahl von Wahlbündnissen der extremen Linken und Rechten, um der Weimarer Republik zu schaden. Ein Beispiel dafür ist der große BVG-Streik in Berlin, bei dem die SA und der Rotfront-Kämpferbund gemeinsam die Streikwache stellten. Erschreckend ist bei alldem die Ahnungslosigkeit besonders des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Wie ein Show-Star wird der „dunkelrote Schmetterling“ lobhudelnd von den Talkshow-Frauen umschwärmt und hochgejubelt. Naivität und Dummheit sind wohl die einzige Erklärung dafür. Es tut sich Vieles und nichts Gutes im Lande – und nicht wenige klatschen noch dazu. Was die meisten nicht sehen: auf den Abschied von den USA folgt der Kotau vor der imperialistischen Atommacht Russland – am Ende steht der Verlust der Freiheit mit allen Konsequenzen. Doch dann ist es zu spät!